Vor dem Start der 29. MLS-Saison: Warum die Major League Soccer für Berliner so interessant ist wie nie zuvor

Donnerstagnacht startet die neue MLS-Saison. Amerikas Fußball-Liga hat dabei noch nie so viel Berlin-Flair zu bieten gehabt wie aktuell. Zwei Ex-Herthaner wandeln auf den Spuren von Nowitzki und Beckenbauer und ein Union-Fan kickt auch mit. Die Schlagzeilen aber bestimmt Lionel Messi.

Da stand er nun, John F. Kennedy, in der Mittagssonne vor dem Rathaus Schöneberg, und brachte seinen vielleicht berühmtesten Satz in die Welt. Rund 400.000 Menschen auf dem damaligen Rudolph-Wilde-Platz (heute John-F.-Kennedy-Platz) jubelten dem beliebten US-Präsidenten frenetisch zu an diesem 26. Juni 1963, als dieser seine Deutschland-Reise mit den legendären Worten überschrieb: „Ich bin ein Berliner.“

Mehr als 60 Jahre später könnte dieser Satz auch als Slogan für die 29. Spielzeit der Major League Soccer (MLS) herhalten, die in dieser Woche beginnt – und auch aus Sicht der Spreemetropole so viel zu bieten hat wie vielleicht noch nie zuvor. Einige aktuelle MLS-Profis bringen eine Berliner Vergangenheit mit, zwei sind sogar in der deutschen Hauptstadt geboren und können im Gegensatz zu Kennedy wahrhaftig behaupten: Wir sind die Berliner.

Derjenige, der aus deutscher Perspektive zuletzt am meisten Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat über dem großen Teich, ist Hany Mukhtar. Der 28-jährige Berliner – sein erster Verein war Stern Marienfelde – kam über Hertha BSC, Benfica Lissabon, RB Salzburg und Bröndby Kopenhagen nach Amerika, wechselte 2020 zum Nashville SC. Dort ist der kleine (1,73m) Spielmacher zum gefeierten Helden aufgestiegen, hat in 113 MLS-Spielen 58 Tore (plus 29 Vorlagen) erzielt und ist nach der Saison 2022 zum besten Spieler der Liga gekürt worden. MVP in einer US-Profi-Liga – das hatten vor ihm nur zwei andere Deutsche geschafft: Dirk Nowitzki (Basketball) und Leon Draisaitl (Eishockey). „Es ist der größte Moment in meiner Karriere“, freute sich Mukhtar damals. Einen Mannschaftstitel hat er aber noch nicht gewonnen mit seiner Franchise aus Tennessee.

Das hat ihm der zweite Berliner Junge in der MLS bereits voraus: Alfredo Morales (33). Auch der zentrale Mittelfeldspieler entstammt der Hertha-Akademie, ebenso werden Concordia Wilhelmsruh, Borussia Pankow und der BSC Reinickendorf als seine Jugendvereine gelistet. Morales wechselte zwar erst 2021 in die USA, besitzt aber auch die amerikanische Staatsbürgerschaft und debütierte 2013 unter Jürgen Klinsmann für die Nationalmannschaft der Vereinigten Staaten (das letzte seiner 16 Länderspiele machte er 2019). Über den FC Ingolstadt und Fortuna Düsseldorf kam der 109-fache Bundesliga-Spieler schließlich in die Liga der „Stars and Stripes“ – und wurde gleich in seiner Premieren-Saison MLS-Meister mit dem New York City FC. Somit wandelte Morales auch auf den Spuren des großen Franz Beckenbauer, der 1977, 1978 und 1980 ebenfalls Titel feiern durfte in der Stadt, die niemals schläft. Mit Cosmos New York war der „Kaiser“ Meister in der North American Soccer League (NASL) geworden, einem Vorgänger der MLS. In der bevorstehenden Saison wird Alfredo Morales seine Geschichte aber in Kalifornien weiterschreiben, er wechselte im Januar zu den San José Earthquakes.

Frisch die Tapeten gewechselt haben auch ein paar ehemalige Berliner: Petar Musa (2021 ein halbes Jahr beim 1. FC Union) ist von Benfica zum FC Dallas gewechselt, Trainer Sandro Schwarz (bis April Vorgänger von Pal Dardai bei Hertha BSC) führt die New York Red Bulls um den Ex-Leipziger Emil Forsberg in die Saison und hat mit Vedad Ibisevic gleich noch seinen Co-Trainer aus Hertha-Zeiten nach New Jersey gelotst. Sie alle erweitern die Gruppe um bereits länger in Übersee spielende Ex-Berliner: Bobby Wood (von 2015 bis 2016 bei Union, seit 2021 in den USA und aktuell bei New England Revolution unter Vertrag), Eduard Löwen (von 2019 bis 2022 bei Hertha und seit 2022 bei St. Louis City) sowie Damir Kreilach (von 2013 bis 2018 bei Union, danach bei Real Salt Lake und nun neu bei den Vancouver Whitecaps). Wie sehr sich der inzwischen 34-jährige Kroate noch mit der Alten Försterei verbunden fühlt, zeigte er letztes Jahr im Interview mit der „Berliner Zeitung“: „Wenn Union in Deutschland am Nachmittag spielt, ist es bei uns 8 Uhr morgens. Ich schaue fast jedes Spiel.“

Während Kreilach Bundesliga schaut, werden in den kommenden Wochen aber auch viele andere Menschen vor den Fernsehgeräten sitzen – um Lionel Messi zu sehen. Der neue, nunmehr achtmalige Weltfußballer startet in der Nacht auf Donnerstag (2 Uhr/MEZ) mit dem Eröffnungsspiel gegen Salt Lake in seine erste komplette MLS-Saison. Im Sommer war der 36-jährige Argentinier zu Inter Miami gewechselt, konnte den Beckham-Klub aus Florida aber nicht mehr vom vorletzten Platz der Eastern Conference schießen. Mit seinen alten Barca-Compañeros Sergio Busquets (35), Jordi Alba (34) und neuerdings auch Luis Suarez (37) soll „La Pulga“ den jungen Klub in dessen fünfter Spielzeit nun weit in die Playoffs führen gegen die 28 Teams große Konkurrenz um Titelverteidiger Columbus Crew und Rekordmeister LA Galaxy.

In China hat Messi kürzlich aber erstmal eine mittlere Staatskrise ausgelöst, weil er bei einem Testspiel in Hongkong 90 Minuten auf der Bank saß und viele Fans enttäuschte. Bis zu 630 Euro sollen Anhänger mitunter bezahlt haben, um den Weltmeister zu sehen, inzwischen soll den knapp 40.000 Zuschauern die Hälfte des Eintrittspreises erstattet worden sein nach heftigen Beschwerden. Die Volksrepublik fühlt sich gedemütigt und sagte kurzerhand die für März geplante China-Tour der argentinischen Nationalmannschaft ab.

Hany Mukhtar aber freut sich über die Anwesenheit Messis. „In unserem eigenen Stadion gegen Messi zu spielen, ist etwas ganz Besonderes. Wer etwas anderes erzählt, liebt den Fußball nicht“, sagte er dem „Sportbuzzer“. „Wir reden hier vom besten Spieler aller Zeiten. Für die ganze Liga und das Land ist es einfach eine coole Geschichte.“ Auch er selbst aber wird mittlerweile ähnlich verehrt in Nashville, war seit seiner Ankunft in jedem Jahr bester Torschütze seines Teams. Als Teilnehmer des letzten All-Star-Games durfte Mukhtar sogar auf den Rasen des Weißen Hauses und ein Selfie mit US-Präsident Joe Biden machen. Ein-Nashville-Fan kommentierte das Bild im Netz: „Der eine ist ein erfolgreicher Anführer, der andere ist Joe Biden.“

Text: Steven Wiesner / Titelfotos: imago

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