„Viele spielen das erste Mal vor so vielen Menschen“: Champions-League-Kulisse bei Union gegen Hertha?

Rekordatmosphäre an der Alten Försterei: Das bevorstehende Derby zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC könnte neue Maßstäbe im Berliner Frauenfußball setzen.

Es klingt nach ganz neuen Sphären, in die der Berliner Frauenfußball am Sonntag vorstoßen könnte. Rund 9000 Ticktes sind für das Hauptstadtderby in der Regionalliga Nordost zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC im Stadion an der Alten Försterei bereits vergriffen, eine fünfstellige Zuschauer-Kulisse gilt bei geöffneten Tageskassen als wahrscheinlich. Würde Unions Männerteam nicht parallel auf Bundesliga-Dienstreise in Mönchengladbach unterwegs sein, wäre die Resonanz womöglich sogar noch größer gewesen. In der Regionalliga, der wohlgemerkt nur dritthöchsten Spielklasse im Frauenbereich, hat es so etwas wohl noch nicht gegeben. Und auch sonst sucht eine solche Zahl ihresgleichen.

Zum Vergleich: Beim Champions-League-Triumph von Turbine Potsdam im Jahre 2010 über Olympique Lyon besuchten 13.000 Zuschauer das Coliseum-Stadion im spanischen Getafe. Der Durchschnitt in der aktuellen Bundesliga-Saison liegt bei etwa 3000 Besucherinnen und Besuchern pro Spiel.

Das gewaltige Publikumsinteresse, das das Liga-Rückspiel zwischen den Rivalinnen aus Köpenick und Charlottenburg auf sich zieht, könnte eine Signalwirkung ausstrahlen, die über den Spieltag hinausgeht. Denn eigentlich, so ehrlich muss man sein, hält das Derby keinen unmittelbaren sportlichen Reiz bereit. Zu souverän agieren die Profis von Union an der Tabellenspitze, nach 17 Spielen haben sie immer noch keinen einzigen Punkt abgegeben. Hertha rangiert mit seinem zu Saisonbeginn neu gegründeten Frauenteam im Mittelfeld, besteht zu großen Teilen aus Schülerinnen und Studentinnen, während sich Unions Fußballerinnen unter idealen Rahmenbedingungen nur auf den Sport konzentrieren können.

„Ich erwarte trotzdem einen umkämpften Start, gerade der Kulisse wegen“, sagt etwa Dina Orschmann, Unions aktuell zweitbeste Torjägerin, die seit Januar 2023 zusammen mit Zwillingsschwester Katja wieder in Köpenick kickt. „Wir schätzen Hertha als starken Gegner ein, obwohl wir sie in der Liga und im Pokal schon zweimal deutlich besiegt haben. Ohnehin wird im Stadion vermutlich eine Art Event-Charakter zu spüren sein, mit mehr Frauen und Familien auf der Tribüne. Viele spielen das erste Mal vor so vielen Menschen. Für Berlin als Fußball-Stadt ist das Derby immer etwas Besonderes und für den Frauenfußball könnte es ein weiterer Schritt zu noch mehr Aufmerksamkeit sein. Wir merken ja schon jetzt, dass sich in der Außendarstellung etwas getan hat.“

Für Union und Orschmann kann das Lokalduell darüber hinaus als eine Art Mentalitätstest für die sehr wahrscheinlich kommenden Aufstiegsspiele zur 2. Bundesliga gesehen werden (im Moment wäre Nord-Spitzenreiter SV Henstedt-Ulzburg hier der Gegner). In selbigen dürfte wieder mit einer größeren Kulisse zu rechnen sein als im Liga-Alltag – was auf dem Platz nicht nur die Beine fordert, sondern auch den Kopf. „Wir gehen sowieso jedes Spiel wie ein Endspiel an“, sagt Orschmann. „Das hat uns bis hierhin so stark gemacht.“ Favorisiert ist ihr Team ohnehin in jeder Partie, diesmal aber eben unter ganz besonderen Vorzeichen.

Text: Julian Städing / Titelfoto: Matze Koch

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