Davie Selke vor seiner Rückkehr nach Berlin: „Es macht wieder Spaß, Hertha-Spiele zu schauen“

Am Mittwoch trifft Davie Selke mit dem 1. FC Köln auf den 1. FC Union. Vorab spricht der ehemalige Hertha-Stürmer im FuWo-Interview über den Abstiegskracher gegen die Eisernen, Steffen Baumgart und das neue Hertha BSC.

Es war hauptsächlich der Finanznot geschuldet, als Hertha BSC zu Beginn des Jahres den Vertrag mit Davie Selke (28) auflöste und den Topverdiener nach 126 Bundesliga-Einsätzen (26 Tore ab 2017) ablösefrei zum 1. FC Köln ziehen ließ (außerdem bei Werder Bremen und RB Leipzig). Bei den Geißböcken fand der in Berlin überwiegend glücklose Mittelstürmer offenbar das richtige Biotop, als Beleg dienen seine fünf Tore bis zum Saisonende 2022/23. Auch in der aktuellen Spielzeit gehört der U19- und U21-Europameister (2014, 2017) beim offensivschwachen FC zu den beständigeren Akteuren, nicht zuletzt auf Selkes Schultern ruhen die Kölner Hoffnungen auf einen erfolgreichen Jahresausklang beim 1. FC Union (Mittwoch, 18.30 Uhr, Alte Försterei).

Fußball-Woche: Herr Selke, sind Sie die Lebensversicherung des 1. FC Köln?
Davie Selke: „Ich kann nur sagen, dass ich mich beim FC sehr wohl fühle. Ich arbeite sehr gerne mit dem Trainerteam zusammen und verstehe mich gut mit den Jungs. Hier über einen längeren Zeitraum Vertrauen zu bekommen, macht sich deshalb möglicherweise mit einer entsprechenden Quote bemerkbar.“

Der FC steckt tabellarisch in ähnlich prekärer Lage wie Hertha vor einem Jahr. Was macht Ihnen Hoffnung, dass die Saison dennoch versöhnlich endet?
Selke: „Unser Fußball sieht anders aus als bei Hertha damals. Zudem sind wir eine richtig starke Einheit. Wir wissen natürlich, dass die Tabellenregion gefährlich ist, daher wollen wir weiterhin fleißig punkten.“

Inwieweit helfen Ihnen die Erfahrungen der Vergangenheit in der aktuellen Situation?
Selke: „Wichtig ist, die Ruhe zu behalten, sich nicht allzu viele Gedanken zu machen, sondern sich darauf zu fokussieren, dass man die Leistung auf den Platz kriegt. Wenn man Abstiegskampf ein paar mal miterlebt hat, dann fällt einem das leichter.“

Sie gelten als jemand, der auch wichtig für die Kabine ist. Sind Sie aktuell noch mehr gefragt als ohnehin?
Selke: „Alle wissen, in welcher Situation wir uns befinden. Es gibt immer ein paar ältere, erfahrenere Spieler, die vorneweg gehen, aber das machen wir ohnehin. Wir sind überzeugt, dass wir da unten rauskommen.“

Davie Selke (l. gegen Christopher Trimmel) hat nicht nur gute Erinnerungen an die Alte Försterei. Im August 2022 verlor er mit Hertha 1:3 gegen Union. Foto: Matze Koch

Vom Kölner Anhang wurden Sie nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Hat Sie das anfängliche Misstrauen beflügelt?
Selke: „Ich wusste, wie der FC Fußball spielt, dass es für einen Strafraumstürmer vorteilhaft ist. Ich hatte tolle Gespräche mit dem Coach, ich wollte wieder regelmäßig auf den Platz kommen. Alles ist so eingetroffen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Dass die Fans anfangs skeptisch waren, kann ich sogar nachvollziehen, wenn ich die Zeit davor in Berlin, aber auch in Bremen betrachte.“

Nach dem 0:0 im letzten Heimspiel gegen Mainz gab es Pfiffe, die Geduld der Fans scheint nicht unendlich zu sein?
Selke: „Klar, dass die Fans enttäuscht waren, das waren wir auch. Wir wollten das Spiel gewinnen, das haben wir nicht hinbekommen. Trotzdem: Die Südkurve steht hinter uns, das spüren wir. Sie sehen den Weg, den wir eingeschlagen haben, sie sehen, dass wir kämpfen. Wir wollen wieder dahin kommen, den Gegner zu stressen, um mehr Offensivaktionen zu bekommen.“

Während beim FC eine schwierige Spielzeit zu erwarten war, ist der 1. FC Union unerwartet in die Abstiegszone gerutscht. Kann Union nach dem Aus in der Champions League wieder dauerhaft sein anderes Gesicht zeigen?
Selke: „Man merkt schon eine Veränderung seit dem Trainerwechsel. Nichtsdestotrotz wollen wir unseren Fußball auf den Platz bringen. Wir fahren gut damit, nur auf uns zu schauen und unseren Fußball wieder dahin zu bringen, wo er am Anfang der Saison war. Da haben wir gute Spiele abgeliefert, auch wenn die Ergebnisse leider nicht gestimmt haben. Wenn wir diesen Fußball wieder zeigen, können wir gegen jeden Gegner in der Bundesliga punkten.“

Jessic Ngankam hat eine Offerte aus Köpenick mit Bezug auf seine Hertha-Sozialisation abgelehnt. Haben Sie Verständnis für seine Entscheidung?
Selke: „Jessic ist ein Junge aus der Hertha-Jugend, der ist Hertha durch und durch. Ich kann seine Entscheidung absolut nachvollziehen.“

Hertha BSC hat mit einer runderneuerten Mannschaft die Herzen der Fans zurückerobert und steht im DFB-Pokal-Viertelfinale. War der Abstieg in die 2. Liga am Ende sogar zu etwas gut?
Selke: „Der Abstieg nicht unbedingt, aber die Personalwechsel gefallen mir sehr gut: Benny Weber, Zecke Neuendorf, Pal Dardai, die Zusammenarbeit mit Kay Bernstein, das ist ein sehr authentischer Weg. Die Leute merken, dass da wieder eine Truppe auf dem Platz steht. Es macht wieder Spaß, Hertha-Spiele zu schauen, man sieht, da wächst etwas zusammen. Ich bin sicher, sie werden sich weiter stabilisieren und – vielleicht noch nicht in dieser Saison aber in absehbarer Zeit – wieder Aufstiegsfavorit sein. Das würde ich mir jedenfalls wünschen.“

Interview: Alex Heinen / Titelfoto: Imago

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