„Das waren nicht nur leere Worte“: Soufian Benyamina spricht über den Regionalliga-Titelkampf und die Torjägerkanone

Der Berliner Soufian Benyamina führt mit dem Greifswalder FC die Tabelle der Regionalliga Nordost an. Im FuWo-Interview erklärt er das Geheimnis der Überraschungsmannschaft, spricht über die Konkurrenten, seinen Bruder Karim und alte Weggefährten.

Er gehört zu den prägenden Figuren der Regionalliga Nordost: Soufian Benyamina. Der 34-jährige Berliner und Deutsch-Algerier ist der Toptorjäger vom Spitzenreiter Greifswalder FC. Über die Füchse, Normannia, Nordberliner SC, Tasmania, Hertha BSC und den 1. FC Union gelangte der Bruder von Karim Benyamina in den Profifußball, debütierte 2012 sogar kurz in der Bundesliga für den VfB Stuttgart und verbrachte die erfolgreichste Zeit seiner Karriere in der 3. Liga (285 Spiele, 69 Tore unter anderem für Jena, Rostock und Viktoria 89). Seit September 2022 stürmt er nun an der Osteeküste.

Fußball-Woche: Herr Benyamina, Sie stehen aktuell bei 17 Treffern in der Regionalliga Nordost, womit Sie Ihren persönlichen Saison-Bestwert (11) bereits übertroffen haben. Sind Sie wie ein guter Wein, der im Alter immer besser wird?
Soufian Benyamina: „Ich glaube eher, dass ich auch früher mehr Tore hätte machen können, aber nicht selten von großen Verletzungen zurückgeworfen wurde. Ich bin zum Beispiel lange mit einem Schienbeinbruch oder einem Schädelbruch ausgefallen. Seit ich in Greifswald bin, habe ich da mehr Glück und bin Gott sei Dank gut durchgekommen.“

Aktuell hat nur Jenas Elias Löder ein Tor mehr erzielt: Schielen Sie mit einem Auge noch auf die Torjägerkanone?
Benyamina: „Das wäre ein cooler Nebeneffekt, aber für mich ist wichtiger, dass wir mit meinen Toren auch Punkte holen. Ich will nicht nur das 4:0 oder 5:0 schießen, sondern entscheidende Tore machen. Ich habe in dieser Saison neun Mal unser erstes Tor im Spiel gemacht, da bin ich auf einem ganz guten Weg.“

Auf einem guten Weg ist auch der Greifswalder FC, der bereits in seinem zweiten Regionalliga-Jahr an die Tür zur 3. Liga klopft. Haben Sie das schon in dem Projekt sehen können, als Sie sich dem Klub vor anderthalb Jahren angeschlossen haben, geht man einfach dahin, wo es das meiste Geld gibt oder was hat den Ausschlag gegeben?
Benyamina: „Das Gesamtpaket hat gepasst. Am wichtigsten war für mich, dass die Entfernung nach Berlin nicht so groß ist, weil ich meine Familie nicht aus ihrem Umfeld in Berlin rausreißen wollte und zum Training und Spiel pendele. Die Nähe zu Berlin war eine Voraussetzung, die mit dem einen oder anderen Angebot aus der 3. Liga nicht vereinbar war. Und noch dazu hat mir der Klub gute Perspektiven aufgezeigt – und wie man jetzt sehen kann, waren das nicht nur leere Worte.“

Vielerorts ist Greifswald trotz der Tabellenführung in der Regionalliga noch immer eine große Unbekannte. Was ist das Erfolgsgeheimnis Ihrer Mannschaft?
Benyamina: „Es klingt immer platt, aber unsere größte Stärke ist, dass wir uns als Truppe super verstehen. Wir haben eine gute Mischung aus Jung und Alt. Es wird ja immer geredet, dass der Verein nur mit Geld um sich schmeißt, aber ich glaube, es wurden auch viele gute Jungs geholt, die woanders nicht auf dem Zettel standen. David Vogt ist mit Meppen aus der 3. Liga abgestiegen, Elias Kratzer kam von der 2. Mannschaft von Greuther Fürth, Tobi Adewole ist mit RW Koblenz aus der Regio­nalliga Südwest abgestiegen und spielte dort in der drittschlechtesten Abwehr der Liga. Uns helfen die Jungs aber weiter.“

Im Vergleich zu Cottbus und dem BFC scheint der Aufstieg in Greifswald eher Bonus als ein Muss zu sein. Kann man behaupten, dass Greifswald mit dem geringsten Druck in das einfachste Restprogramm geht?
Benyamina: „Absolut. Die einzigen, die sich Druck machen, sind wir Spieler selbst. Wir wollen einfach in jedem Spiel die bessere Mannschaft sein, so sind wir bisher alle Spiele angegangen und werden das auch weiter tun. Ich bin nicht nah genug dran, aber Cottbus zum Beispiel hat im Winter fünf neue Spieler geholt, wovon drei Granaten sind. Ich könnte mir vorstellen, dass der Druck da größer ist.“

2012: Soufian Benyamina (l. mit dem Berliner und heutigen Nationalspieler Antonio Rüdiger) durfte für den VfB Stuttgart zweimal in der Bundesliga ran. Foto: Imago

Der GFC war lange ungeschlagen, ist durch die Saison geflogen und war an 18 Spieltagen Tabellenführer. Von den letzten acht Spielen wurden aber nur vier gewonnen. Geht doch langsam bei einigen der Kopf an?
Benyamina: „Ich glaube nicht. Wir hatten viele Verletzte und auch ein paar Sperren. Aber wir stellen uns deswegen nicht jedes Mal vor eine Kamera, sondern versuchen, das Beste daraus zu machen.“

Haben Sie eigentlich einen kleinen, internen Tor-Wettbewerb mit Ihrem Bruder Karim Benyamina laufen, der in seiner Karriere ebenfalls Torjäger war?
Benyamina: (lacht) „Nein, sowas haben wir nicht. Aber ich glaube, wir haben uns als Brüder gut ergänzt: Ich habe mehr 3. Liga und auch kurz Bundesliga gespielt, dafür war er in der 2. Liga besser und hat auch Nationalmannschaft gespielt. Wir haben einen engen Draht, ich war letzte Woche auch zugucken bei seiner Berlin-Liga-Mannschaft in Wilmersdorf.“

Sie haben Ihre beiden Bundesliga-Einsätze schon angesprochen. Sie spielten damals auch mit Rani Khedira oder Antonio Rüdiger zusammen. Wie viel Kontakt haben Sie noch zu ehemaligen Mitspielern? Hat Sie Rüdiger schon ins Bernabeu eingeladen?
Benyamina: „Nein, aber ich habe sehr guten Kontakt mit den Jungs, war zum Beispiel beim Real-Spiel im Olympiastadion. Auch zu Bernd Leno, Odysseas Vlachodimos oder Ermin Bicakcic vom VfB II. Wir waren damals in der 3. Liga die beste 2. Mannschaft Deutschlands. Das war eine coole Zeit.“

Interview: Steven Wiesner / Titelfoto: Imago

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