Annalen oder Aprilschmerz? Für die U19 von Hertha BSC ist alles möglich im April. Im DFB-Pokal und der Deutschen A-Junioren-Meisterschaft warten finale Wochen.
Schon wieder Dortmund. Vor zwölf Monaten erst sahen sich Herthas A-Junioren dem BVB-Nachwuchs gegenüber, um das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft mit 1:2 zu verlieren. Einen Treffer erzielte dabei auch der heutige Bundesliga-Shootingstar Jamie Bynoe-Gittens für die Borussen. Ein Jahr später werden es die Berliner nun erneut mit den Schwarz-Gelben zu tun bekommen, diesmal schon in der Vorschlussrunde der deutschen Titelkämpfe. Revanchegelüste gibt es aber kaum bei der Hertha. „Davon versuchen wir uns zu lösen“, verrät U19-Co-Trainer Oliver Schröder. „Wir freuen uns vielmehr für den aktuellen Jahrgang, der vor einem Jahr das Halbfinale in der U17 verloren hat, aber seinen Erfolg in fast identischer Besetzung bestätigt hat und nun die nächste Chance bekommt.“
Ein Erfolg, das ist es schon jetzt. Die A-Junioren von Hertha BSC sind Meister geworden in der Bundesliga Nord/Nordost. Dass das auch für eine renommierte Akademie wie die aus Westend nicht selbstverständlich ist, zeigen allein die vergangenen zehn Jahre, in denen der Staffelsieg nach 2018 und 2022 erst zum dritten Mal gelang. „Von daher sind wir mächtig stolz auf die Jungs“, sagt Schröder und blickt voller Vorfreude auf die finalen Wochen im April, die mit dem DFB-Pokal-Halbfinale am kommenden Sonntag (11 Uhr, Franz-Kremer-Stadion) beim 1. FC Köln ihren Anfang nehmen und mit den beiden Partien gegen Dortmund (10. April zuhause, 15. April auswärts) ihre Fortsetzung finden. Für die Hertha-Talente ist in diesen Wochen alles möglich – von geschichtsträchtigem Titelstoff für die Annalen bis hin zu tränenreichem Aprilschmerz kann dieser Monat alles bereithalten.
Obschon Trophäen für den Briefkopf und goldenes Konfetti für Oliver Schröder langfristig eher zweitrangig sind. „Na klar, wir wollen auch Siegertypen ausbilden“, sagt der 115-fache Bundesliga-Profi. Aber diese K.o.-Spiele allein seien schon eine Errungenschaft für die Talente. „Diese Alles-oder-nichts-Spiele sind ein wichtiger Erfahrungswert und genau das, was wir für die Jungs wollen. Das sind diese Spiele, vor denen man Herzklopfen hat.“
Zumal Titel auch keine Garantie für spätere Profikarrieren sind. Das hat im Nachgang nicht erst die 2018er A-Jugend gezeigt, die ihrerzeit die einzige Deutsche U19-Meisterschaft für Hertha gewonnen hat und von Michael Preetz als „goldener Jahrgang“ gepriesen wurde. Fünf Jahre später aber spielt mit Jessic Ngankam nur ein einziger der Teenager-Helden für Herthas Bundesliga-Profis und mit Arne Maier auch nur ein weiterer überhaupt in der Bundesliga. Kapitän und Finaltorschütze Florian Krebs zum Beispiel ist vor einem Jahr nach Finnland zum FC Honka gewechselt.
Wie also ist der aktuelle Jahrgang leistungstechnisch einzuordnen? Es ist ein Glaskugel-Spiel, irgendwelche Erwartungen auf die Junioren zu projizieren. Auch Oliver Schröder weiß, dass Vergleiche mit anderen Mannschaften schwierig sind. „Über den aktuellen Jahrgang wurde vor ein paar Jahren mal gesagt, dass er nicht so gut ist, aber wir haben gezeigt, dass wir eine tolle Truppe haben. Und es sind auch ein paar besondere Spieler dabei“, sagt Schröder. Teoman Gündüz war in der abgelaufenen Runde Herthas bester Torjäger (13), Ibrahim Maza machte auf sich aufmerksam und trainierte kürzlich bereits bei den Profis mit, Julian Eitschberger ist genauso ein Leistungsträger wie Bence Dardai als jüngerer Jahrgang oder auch Lukas Ullrich, der in dieser Spielzeit hauptsächlich bei der U23 in der Regionalliga zum Einsatz kam und den Verein am Saisonende Richtung Borussia Mönchengladbach verlassen soll.
Dieses Hertha-Team um Cheftrainer Oliver Reiß misst sich nun also mit zwei Konkurrenten, „die zu den besten Mannschaften Deutschlands gehören“ (Schröder). Pokal-Gegner Köln hat Platz eins in der West-Bundesliga nur um zwei Punkte verpasst – und zwar hinter Meisterschafts-Gegner Dortmund, der ungeschlagen (elf Siege, vier Remis) durch die Liga kam und erst vor Kurzem in der Junioren-Champions-League im Viertelfinale an Hajduk Split scheiterte (8:9 i.E.). Man darf gespannt sein, was der April für Hertha bringt.
Text: Steven Wiesner / Titelfoto: Matze Koch