Schluss mit sexueller Belästigung: Kampfansage an das „Catcalling“

Mit einem Aktionstag zur aktuellen Kampagne ‚VEREINt gegen Diskriminierung‘ will Blau-Weiss Hohen Neuendorf auf sexuelle Belästigung aufmerksam machen – denn der Verein hat selber schon einen erschreckenden Vorfall während eines Frauen-Regionalliga-Spiels erlebt.

Sprüche wie „Die ist auch richtig heiß, ne?“ oder „Die würde ich auch mal wegbügeln wollen“ gehören nach wie vor zum Alltag vieler Frauen in Deutschland. Anzügliche Bemerkungen von zum Beispiel Zuschauern, Trainern oder Betreuern sind auch für viele Sportlerinnen keine Seltenheit mehr. Deutsche Fußball-Nationalspielerinnen haben in der Vergangenheit sogar schon von sexistischem Verhalten wie etwa eine Hand auf dem Po bei Fotos mit Fans berichtet. Deutlich wird mehr denn je: „Catcalling“ ist kein Kompliment!

„Catcalling“? Dieser englische, noch nicht so weit verbreitete Begriff fasst verschiedene Arten der sexuellen Belästigung im öffentlichen Raum zusammen. Das können Kuss- oder Pfeifgeräusche, aufdringliches Starren oder plumpe anzügliche Sprüche sein, die eigentlich immer schlecht beim Empfänger ankommen und diesen in erster Linie herabwürdigen. Diese Respektlosigkeiten lassen die Betroffenen, oft jüngere Frauen und Mädchen, in einem Gefühl der Bloßstellung und Erniedrigung zurück.

Eine Studie der Sportsoziologie der Universität Wuppertal aus dem Jahr 2021 hat ergeben, dass jede fünfte Befragte bereits Erfahrungen mit sexueller Belästigung oder sogar Gewalt gemacht hat. „Ich denke, jede Spielerin musste schon einmal Erfahrungen damit machen“, verdeutlicht auch Victoria Targatz, Vorstandsmitglied des Fußballvereins SV Blau-Weiss Hohen Neuendorf. Ihr Verein hat in der Hinrunde der laufenden Saison selbst einen Vorfall während eines Frauen-Regionalliga-Spiels erlebt: Am Rande der Partie ertönten sexistische Äußerungen und Beleidigungen aus dem Publikum in Richtung der Schiedsrichterin und des gegnerischen Teams. Dafür musste der Verein aus der Niederheide am Rande von Berlin sogar eine Geldstrafe zahlen.

„Wir wollen dem öffentlichkeitswirksam entgegentreten und als Verein deutlich machen, dass wir das nicht dulden“, sagt Targatz. Die Rückrunde wurde nun unter dem Motto „VEREINt gegen Diskriminierung“ gestaltet. Der Vorfall hat bei dem Klub Hohen Neuendorf, bei dem der Frauen- und Mädchenfußball mindestens den gleichen Stellenwert besitzt wie der Männerfußball, Narben hinterlassen. Denn nicht nur die Spielerinnen aller Altersklassen, auch Ehrenamtliche, Trainerinnen oder Frauen im Vorstand und Präsidium tragen in dem Verein von der Brandenburger Stadtgrenze Verantwortung. „Das zeichnet unseren Verein aus“, sagt Targatz, die selbst zehn Jahre für die Blau-Weissen die Schuhe schnürte.

Nicht nur deshalb möchte Hohen Neuendorf gemeinsam nach außen gegen jegliche Form von Diskriminierung auftreten und sich deutlich positionieren. „Es geht um die Gleichstellung von Frauen im Sport und darum, ihre Sichtbarkeit zu erhöhen.“ Schon Mitte April hatte der Verein einen ersten Aktionsspieltag veranstaltet, an diesem Sonntag, 7. Mai, soll nun der zweite folgen und Platz für Wertschätzung sowie einen konstruktiven Austausch schaffen.

Damit unterstützt der Fußball-Regionalligist auch das bundesweite Projekt „Demokratie Leben!“ und den kommenden bundesweiten Aktionstag am 9. Juni 2023. An diesem Tag werden Vorfälle an den jeweiligen Orten des Geschehens per Kreide sichtbar gemacht. Es brauche mehr Sensibilität für das Thema und auch Männer mit Zivilcourage, die gegen Catcalling einschreiten, betonte jüngst auch Simone Thomas, die Bundessprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen.

Hohen Neuendorf wird sich schon am kommenden Wochenende des Themas annehmen. Mit einer Rede des Bürgermeisters, vier Fußballpartien des Vereins und weiteren Überraschungen möchte der Klub allen Teilnehmern eine unterhaltsame, aber auch prägende Zeit in der Niederheide bescheren. „Wir erhoffen uns, dass es das Interesse weckt und auch noch etwas hängenbleibt“, sagt die 35-jährige ehemalige Fußballspielerin Victoria Targatz. Nur durch solche Aktionstage und Projekte wie beim Frauen-Regionalligisten können sexuelle Belästigungen und beleidigende Sprüche zurückgedrängt – und der Fokus auf das Wesentliche, den Sport, gelenkt werden.

Text: Lilly Purtz / Titelfoto: Christian Schneider

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