Acht Staffeln! Die Krux mit dem Kreisliga-C-Rekord

Noch nie hat der Berliner Fußball-Verband so viele Meldungen für die 11. Liga bekommen wie in diesem Sommer – der Boom ist gute Nachricht und Warnung zugleich.

Erkan Kamberler ist auch etwas ratlos. „Wir als Vorstand sind auch ein bisschen überfragt“, gesteht der 36-Jährige. Denn auf einmal führt der Vorsitzende vom VfB Sperber Neukölln den Klub, der in ganz Berlin die meisten Männermannschaften an den Start bringt: Sieben Teams haben die Neuköllner jüngst für die neue Saison gemeldet, und damit nochmal zwei mehr als in der vergangenen Saison. „Der Ansturm ist immens“, sagt Kamberler, der rund 150 Spieler auf eben jene sieben Mannschaften verteilen muss. „Es wurden irgendwann so viele, dass mich Jungs aus der 4. und 5. Mannschaft gefragt haben: Wo sollen wir spielen?“ Den fußballverrückten Mitgliedern sagen: Pech gehabt, sucht euch etwas Neues!? Das wollte Kamberler nicht. Also spielt Sperber nun mit sieben Teams, die 1. Herren spielen nach ihrem Aufstieg in der Kreis­liga A, die 2. Herren kicken in der Kreisliga B – und fünf Sperber-Teams bereichern die C-Liga.

Hier gibt es aber nicht nur wegen der Neuköllner einen regelrechten Boom zur Spielzeit 2023/24, wo erstmals überhaupt acht (!) Staffeln gebildet werden mussten. „Wir haben so viele Anmeldungen wie noch nie in der Geschichte registriert“, erklärt Joachim Gaertner, Präsidialmitglied Spielbetrieb beim Berliner Fußball-Verband (BFV). Mit den Berlin Lions, dem 1. FC PV Nord, SK Rapide, dem SC Horus und Cono Sur erscheinen fünf komplett neue Vereine mit teilweise gleich mehreren Mannschaften auf der Bildfläche, dazu kommen weitere Reserve-Teams von bestehenden Klubs wie zum Beispiel Normannia 08, dem Köpenicker FC, Türkiyemspor oder eben Sperber.

Beim BFV freut man sich zunächst mal über den neuen Rekord, „das zeigt, dass der Spielbetrieb angenommen wird“, sagt Gaertner. In der guten Nachricht ist aber auch ein Achtungszeichen mit mehreren Warnungen versteckt. Denn: Die 10. und 11. Liga waren in Berlin schon zuvor die Spielklassen mit den meisten Spielabbrüchen aufgrund von Auseinandersetzungen zwischen Spielern und/oder Zuschauern. „Abbrüche sind ein großes Problem in den B- und C-Ligen“, sagt Gaertner. Gegenüber Schiedsrichtern sei das Verhalten zwar etwas besser geworden, dennoch könnten mehr Staffeln und mehr Spiele auch mehr Gewaltpotenzial bedeuten. „Ich hoffe, dass sich alle benehmen“, sagt Gaertner.

Schiedsrichter sind auch das Stichwort für Warnung Nummer zwei. Denn ob der BFV genügend Unparteiische hat, um all die neuen Spiele abzudecken, wird sich zeigen müssen. Für den Schiedsrichterausschuss könnte das zu einer Herausforderung werden. Und dann gibt es da auch noch die Befürchtung, dass viele der Mannschaften sowieso nicht durchhalten und aufgrund von Personalengpässen zurückziehen im laufenden Spielbetrieb. So wie im Vorjahr, als 17 Teams die Kreisliga-C-Saison abrupt beendeten (mit dem Rixdorfer SV II, dem Friedrichshagener SV II, Borussia Friedrichsfelde, dem FC Amed II, dem CFC Hertha 06 II, DJK SW Neukölln III, Cimbria Trabzonspor II und Novi Pazar/Marathon II nehmen übrigens acht davon einen neuen Anlauf). Mehrdeutig spricht Gaertner nicht nur deshalb von einer „spannenden Saison“.

Diejenigen, die schon vor dem ersten Anpfiff unken, das werde alles im Chaos enden, schielen natürlich auch auf Sperber Neukölln. Erkan Kamberler gibt aber das mutige Versprechen ab: „Wir werden durchspielen. Ich bin selbst ein Feind davon, erstmal eine Mannschaft zu melden, obwohl man nur zehn Spieler hat. Das geht nicht. Wenn man Mannschaften anmeldet, muss das sitzen. Dann soll man im Zweifel lieber warten und zum Winter nachmelden.“ So wie er es letzte Saison schon mit Sperber V getan hat, das ab Winter Pflichtfreundschaftsspiele ohne Wertung in der 5. Abteilung absolvierte.

Kamberler selbst hat ein ganz anderes Problem: Er hat kaum noch Platz. Die beiden Sportplätze in der Bergiusstraße an der Stadtautobahn „reichen vorne und hinten nicht“, sagt er. Beim Bezirksamt will er nun die Nutzung eines Ausweichplatzes beantragen.

Text: Steven Wiesner / Titelfoto: Matze Koch

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