Blau Weiss Berolina Mitte ist ein besonderer Verein im Herzen der Hauptstadt mit einem einmaligen Panorama. Der Klub kann zum 75. Geburtstag hoffnungsvoll in die Zukunft schauen – obwohl die Verantwortlichen beim Gründungsdatum etwas kreativ sein müssen.
Vor der Begehung des Jubiläums in diesem Jahr standen die Verantwortlichen vor einem grundlegenden Problem: „Es gibt zwar viele Dokumente – aber keine Gründungsurkunde mit genauem Datum“, beschreibt Tilmann Häußler das Dilemma. So wurde kurzerhand der 22. Juni auserkoren, „weil man 22 Menschen zum Fußballspielen braucht und der heutige Verein aus sechs Fusionen hervorgegangen ist“ – so die mit einem Augenzwinkern vorgetragene „Erklärung“ des 2. Vorsitzenden.
Womit wir auch schon mitten in der Historie des Klubs aus dem Herzen der Hauptstadt wären – den gibt es in seiner heutigen Form als SV Blau Weiss Berolina Mitte 49 erst seit dem 23. Juni 1992, als der Vorgängerverein Berolina Mitte mit dem Mediziner SV 49 fusionierte. Letzterer war 1949 als BSG Medizin Mitte mit der Charité als Trägerbetrieb gegründet worden, womit es beim Zusammenschluss auch keiner Diskussionen über das Jahr im Vereinsnamen bedurfte. „Bero“ war damals als BSG Eintracht 1949 an den Start gegangen, in kurzen Abständen wechselte der Name zu BSG Empor „Werner Seelenbinder“ (ab 1950), BSG Motor Mitte (ab 1952) sowie BSG Motor Berolina Mitte (1957).
Nach dem Fall der Mauer und der erwähnten Fusion erlebte der Verein einen regelrechten Boom: „Heute hat die Fußballabteilung 1700 Mitglieder und 40 Teams: zwei Drittel davon bei den Männern und Jungs, ein Drittel bei Frauen und Mädchen“, zählt Häußler auf.
Für die 1. Männer hatte sich in diesem Jahrtausend die Bezirksliga als das Nonplusultra herausgestellt – nach drei Aufstiegen konnte man die Landesliga nur einmal halten (2014 bis 2016). Doch Mannschaft und Verein haben hart daran gearbeitet, das Limit zu verschieben. Denn nach dem erneuten Sprung in die Siebtklassigkeit gelang dieses Jahr der Klassenerhalt – wenn auch erst in einem dramatischen „Endspiel“ am letzten Spieltag beim 2:2 gegen Spandau 06. Flügelstürmer Lars Jaud schaffte es dabei sogar in die „FuWo-Elf der Saison“, und neben Daniel Schneidawind (13 Tore) sorgten noch 14 weitere Spieler für sehr ordentliche 55 Treffer. „Natürlich ist jetzt das Ziel, uns in der Landesliga zu etablieren – damit wir auch unseren Nachwuchsspielern eine bessere Perspektive bei ‚Bero‘ bieten können“, sagt Häußler.
Wohl wissend, dass den absolut ehrenamtlich aufgestellten Verein damit die nächste Herausforderung erwartet. Das Trainergespann mit Julian Hempe und Assistent Christian Zinke hat sich allerdings erst einmal eine Auszeit verordnet, um sich auch mal wieder mit etwas anderem als Fußball beschäftigen zu können. Bezüglich der Nachfolge haben sich die Verantwortlichen zu einem für „Bero“ ungewöhnlichen Schritt entschieden: Denn Ercan Aydinoglu (zuletzt 2022/23 Assistent beim BAK) ist eine „externe Lösung“ – und bringt gleich ein ganzes Team mit nach Mitte.
Alles in allem will man sich aber treu bleiben: „Unsere drei Pluspunkte sind die Gemeinschaft, der Platz mit dem unvergleichlichen Panorama – und unsere richtig gute Öffentlichkeitsarbeit über verschiedenste digitale Kanäle.“ Häußler schwärmt dabei davon, dass der Verein nach wie vor das gesamte Viertel abbildet – und sich bei aller Gentrifizierung dort „der Handwerker und die Startup-Managerin auf Augenhöhe begegnen“. Schade bloß, dass das Wetter zum 75. Geburtstag nicht mitspielte und das Programm eingeschränkt werden musste – auch nicht alle Bezirkspolitiker waren am 22. Juni vor Ort. Zum Glück aber hat sich Berolina Mitte durch sein erfolgreiches Wirken selbst zu einer starken Stimme im Kiez verholfen.
Text: Hagen Nickelé / Titelfoto: Berolina Mitte