„Wer jetzt nicht aufsteht, der hat nichts verstanden“: Der Fußball positioniert sich gegen Rechtsextremismus – auch in Berlin

Die Bundesliga macht mobil gegen Rechts. Auch ein Amateurverein aus Berlin steht auf – und weiß nicht nur Christian Streich und Uli Hoeneß an seiner Seite.

Die jüngsten Enthüllungen um das Treffen von Rechtsextremen in Potsdam haben das Land bewegt – auch den kleinen wie großen Fußball. Mit dem FC Internationale hat ein Amateurverein aus Berlin bereits Stellung bezogen und auf seiner Internetpräsenz zum Aufbegehren gegen Ausländerhass aufgerufen. „Wir haben wir mehr als 70 Nationalitäten, Menschen aller Kontinente. Sie spielen friedlich miteinander, bereichern gegenseitig ihr Leben. Wir dulden keine Rechtsradikalen, Rassisten und Verschwörungstheoretiker“, schreibt der Schöneberger Klub.

Ausgangspunkt war die viel bemerkte Recherche von „Correctiv“-Journalisten, die Pläne von Neonazis und Politikern aufdeckten, Millionen von Menschen aus Deutschland abzuschieben. Beim FC Internationale steht man allein mit seinem Namen für ein anderes Weltbild – und für das wollen die Schöneberger nun mehr denn je einstehen: „Jetzt erst recht! Wir möchten Menschen, die nach Berlin kommen – aus welchen Gründen auch immer – das Gefühl geben, hier willkommen zu sein. Wir engagieren uns in verschiedenen Organisationen, unter anderem dem Bündnis gegen Antisemitismus oder Integration durch Sport. Deshalb spielen wir mit dem Aufdruck NO RACISM.“

Es sei eine Schande, „dass wir so weit gekommen sind, freiheitliche, demokratische und mitmenschliche Werte täglich betonen zu müssen“. Inter wünscht sich, „dass spätestens jetzt viele aufstehen und sich klar für ein internationales Berlin positionieren: Vereine, Verbände, Unternehmen, Politik, Kultur, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Der Schriftsteller Albert Camus sagte einst: ‚Alles, was ich über Moral und Ver­pflich­tungen weiß, ver­danke ich dem Fuß­ball.‘ Genau daran arbeiten wir.“

Und der FC Internationale ist damit nicht allein. In ganz Deutschland gab es Proteste und im Zuge dessen auch lauter werdende Forderungen eines AfD-Verbots. Auch Profiklubs setzten Signale. „Hamburg steht auf“ lautete beispielsweise das Motto der Demo gegen Rechtsextremismus, zu der am Freitag Oke Göttlich, der Präsident des FC St. Pauli, aufgerufen hatte. Das Bild verfestigt sich: Von Freiburg bis Bremen, von Köln bis Leipzig wollen in der Bundesliga viele nicht länger schweigen. „Wer jetzt nicht aufsteht, der hat nichts verstanden. Wer jetzt nichts tut, hat in der Schule und in Geschichte nichts verstanden“, sagte der meinungsstarke Freiburg-Coach Christian Streich. Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald etwa forderte ein „lautes, entschiedenes Signal gegen jegliche Form von Ausgrenzung, Intoleranz und Diskriminierung.“

Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) solidarisierte sich mit den Demonstrierenden. „Fantasien über Remigration im Sinne einer Zwangsausweisung deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger alarmieren uns“, sagte Celia Sasic, DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität. Bayern Münchens Ehrenpräsident Uli Hoeneß hatte selbst bei der Gedenkfeier für Franz Beckenbauer klare Kante gezeigt. Der Kaiser habe durch die WM 2006 in Deutschland „einen Prozess angestoßen“. Dieser sei auch in Zukunft wünschenswert, „die AfD möchte ich aber nicht dabei haben“, betonte Hoeneß. Am deutlichsten aber wurde Streich: „Es soll mir keiner rumjammern, wenn er hinterher von einer rechtsnatio­nalen Partei autokratisch regiert wird. Ich lebe seit 58 Jahren als freier Mensch in einer Demokratie. Dafür bin ich unendlich dankbar.“

Viele Klubs schweigen aber auch – meist mit dem Argument, Sport und Politik nicht vermischen zu wollen. Vielen dürfte aber auch noch die Diskussion in Erinnerung sein, die Peter Fischer im Dezember 2017 ausgelöst hatte. Der Präsident von Eintracht Frankfurt befand damals, dass eine Mitgliedschaft bei der Eintracht und der AfD kaum miteinander zu vereinbaren seien – und erntete (auch) Gegenwind.

Ein übergreifendes Zeichen wie 1992, als alle Klubs auf die Werbung ihres Sponsors verzichteten und mit dem Slogan „Mein Freund ist Ausländer“ auf der Brust aufliefen, ist aktuell nicht geplant. Damals war es die Folge fremdenfeindlich motivierter Angriffe. Mehr als 30 Jahre später sind die Vorfälle nicht vergessen – wohl auch deshalb reagieren viele Klubs und Fans mit feinen Antennen auf die jüngsten Schlagzeilen. „Um es klar zu sagen: Das freiheitliche, demokratische Zusammenleben unserer Stadt wird bedroht“, schrieb der Supporters-Club der HSV und rief seine mehr als 65.000 Mitglieder zur Teilnahme an den Demos auf.

Text: swr/sid / Titelfoto: Imago

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