Die Frauen vom 1. FC Union haben eine perfekte Regionalliga-Saison hinter sich. Doch für den Aufstieg in die 2. Bundesliga muss Nord-Meister Henstedt-Ulzburg in zwei Spielen besiegt werden. Kapitänin Lisa Heiseler spricht vorab im FuWo-Interview über die Wahnsinns-Serie, die Alte Försterei und ihre 100 Tore für die Eisernen.
Ihre Laufbahn begann bei den Jungs vom Weißenseer FC, ehe sie 2012 in die Mädchenabteilung des 1. FC Union wechselte: Lisa Heiseler. Heute ist die 25-Jährige Kapitänin des Regionalliga-Meisters. Der diesjährige Meistertitel und Berliner Pokalerfolg waren dabei nicht die ersten Titel für die ausgebildete Physiotherapeutin, Heiseler wurde 2018 bereits Berlins Fußballerin des Jahres und kürzlich für mehr als 100 Liga-Tore für Union geehrt, womit sie mehr Treffer erzielte als männliche Klublegenden wie Karim Benyamina oder Jacek Mincel. Im FuWo-Interview spricht sie über die Aufstiegsspiele zur 2. Liga gegen Nord-Meister Henstedt-Ulzburg (Hinspiel am Sonntag, 14 Uhr, in der Alten Försterei).
Fußball-Woche: Frau Heiseler, wissen Sie auf Anhieb, wann Sie zum letzten Mal ein Pflichtspiel mit Union verloren haben?
Lisa Heiseler: „Puh … das müsste das Heimspiel gegen Viktoria gewesen sein in der vergangenen Saison.“
So ist es. Am 18. Februar 2023 haben Sie in der Nachspielzeit 3:4 verloren, womit damals eine Vorentscheidung im Titelkampf gefallen war zu Gunsten des späteren Meisters Viktoria. Seitdem haben Sie mit den Eisernen alle 39 Liga- und Pokalspiele gewonnen. Ist nach der bitteren Niederlage gegen den großen Rivalen damals ein neuer Geist entstanden in Ihrer Mannschaft, eine Jetzt-erst-recht-Mentalität oder würde man damit zu viel hineininterpretieren?
Heiseler: „Ich glaube, dass in der Zwischenzeit einfach ganz viel passiert ist bei uns. Wir dürfen uns seit dem letzten Sommer als Profis bezeichnen, haben einen ganz anderen Tagesablauf und viele Neuzugänge haben uns verstärkt. Wir waren letztes Jahr einfach noch nicht bereit, aber jetzt ist die Zeit reif.“
Nun steht die Relegation an. Wenn man über so einen langen Zeitraum ungeschlagen bleibt und nicht mal mehr einen einzigen Punkt abgibt: Ist das eher hilfreich für diese beiden Spiele, weil das Selbstvertrauen nicht größer sein könnte, oder sogar gefährlich, weil die Sinne irgendwann vielleicht nicht mehr so geschärft sind?
Heiseler: „Wir werden niemanden unterschätzen. Unsere Ziele sind groß und wir haben bisher einen guten Grundstein gelegt. Am Ende ist so eine Saison immer ein Marathon, wir sind jetzt auf der Zielgeraden und müssen so fokussiert sein wie die ganze Saison über, in der wir jedes Spiel als Spitzenspiel gesehen haben. Meister zu werden und den Pokal zu holen waren schöne Zwischensteps, aber das größte Ziel ist der Aufstieg. Und diese beiden Spiele entscheiden jetzt alles. Aber wir gehen auf jeden Fall mit einer guten Stimmung rein und können im Stadion an der Alten Försterei sicher auch auf unsere Fans setzen.“
Wie bereitet man sich in der dritthöchsten Frauen-Liga eigentlich auf einen unbekannten Gegner vor? Waren schon Union-Scouts in Henstedt, gibt es Videomaterial?
Heiseler: „Unser Trainer-Team hat sich sicher schon darauf vorbereitet. Wir wissen, dass eine erfahrene und körperbetonte Mannschaft auf uns wartet. Aber die detailierte Vorbereitung auf den Gegner beginnt erst in dieser Woche.“
Es gibt dabei ja auch immer zwei Ansätze: Manche Teams passen Ihre Spielidee dem Gegner an, andere pfeifen auf das Gegnerprofil und wollen ihr Spiel durchziehen. Wie gehen die Frauen vom 1. FC Union vor?
Heiseler: „Es ist sicher ein Mix aus beidem. Aber wir konzentrieren uns schon auf uns, wollen in erster Linie unseren Ballbesitzfußball spielen und sind flexibel genug, um reagieren zu können, wenn es erforderlich sein sollte.“
Union-Präsident Dirk Zingler hat nun gesagt, dass künftig auch die Frauen nach Möglichkeit Ihre Heimspiele an der Alten Försterei austragen sollen. Was macht diese Aussage mit Ihnen?
Heiseler: (lacht) „Das wäre natürlich ein Traum. Wir haben schon beim Hauptstadtderby gegen Hertha (5:0; d.Red.) vor einigen Wochen erleben dürfen, was uns das Stadion für eine Kraft geben kann. Die Fans tragen uns da sicher noch mehr als auf dem Sportplatz in der Dörpfeldstraße. Mal sehen, wir oft es dazu kommt in der nächsten Saison.“
Die Aufstiegsspiele müssen erst gespielt und ein Haken hinter diese Spielzeit gemacht werden. Erlauben Sie uns trotzdem schon mal einen Blick in die Zukunft, denn das erklärte Fernziel der Klubführung ist ja die Bundesliga. Wie optimistisch sind Sie, dass Sie das noch auf dem Platz als Spielerin erleben werden?
Heiseler: „Der Weg ist vorgegeben, das stimmt. Unser größtes Ziel ist aber erstmal die 2. Bundesliga. Wenn wir das geschafft haben, gilt es, sich dort zu etablieren. Es ist ein großer Schritt zwichen der Regionalliga und der 2. Liga. Ob ich irgendwann noch in der Bundesliga dabei bin, daran denke ich jetzt noch nicht.“
Zumindest dürfen Sie schon unter Bundesliga-Bedingungen spielen und trainieren. Was hat sich mit dem Profitum verändert?
Heiseler: „Wir haben nicht nur lokale Verstärkungen bekommen, sondern auch externe Neuzugänge aus Hoffenheim, Meppen oder Wolfsburg, die unser Spiel beleben. Seit Winter können wir ein neues Trainingszentrum nutzen mit eigenem Kraftraum, es gibt einen Aufenthaltsbereich mit Küche, wo man es auch zwischen den Einheit gut aushalten kann, unsere Verträge wurden angepasst, sodass wir mitunter zweimal am Tag trainieren und professioneller an uns arbeiten können.“
Und was bedeutet es Ihnen, dass Sie sogar mehr Tore für Union geschossen haben als Legenden wie Karim Benyamina oder Torsten Mattuschka?
Heiseler: „Das macht mich natürlich super stolz, wäre ohne meine Mannschaft aber nie möglich gewesen.“
Interview: Steven Wiesner / Titelfoto: Torsten Schüler