„Nie war die Stimmung so großartig, so emotional“

Als das Olympiastadion gegen Kaiserslautern bebte …

Autor: Michael Jahn

Den 7. April 1997, einen Montag, haben tausende Hertha-Anhänger für immer in ihrem Gedächtnis gespeichert – als Glückstag, als einen Fußball-Abend, der eine neue Zeitrechnung einläutete und den Aufstieg in die Erste Liga greifbar machte.
Doch bis zu diesem außergewöhnlichen Spiel in der Zweiten Bundesliga gegen den 1. FC Kaiserslautern, das Hertha mit 2:0 gewann, war es ein langer Weg zurück in die Beletage.
In der Saison 1996/97 sollte es nach Jahren der Tristesse endlich nach oben gehen. Mit Hilfe von Vermarkter Ufa konnten erfahrene und auch talentierte neue Profis nach Berlin geholt werden, die das Unternehmen Aufstieg mit in Angriff nehmen sollten. Axel Kruse kam vom VfB Stuttgart (1,2 Millionen Mark Ablöse), Michael Preetz von Wattenscheid 09 (200.000 Mark), im Winter folgte Pal Dardai (BVSC Budapest/500.000 Mark) und zuvor auch die ablösefreien Ante Covic (1. FC Nürnberg) und Michel Din-zey (FC St. Pauli). Dagegen hatte Herthas großes Talent Niko Kovac den Glauben an den Aufstieg verloren und ging zu Bayer Leverkusen, wo seine Karriere schnell Fahrt aufnahm.

Die Spielzeit unter Trainer Jürgen Röber begann zäh. Am ersten Spieltag sahen 11.548 Zuschauer im Olympiastadion einen 1:0-Sieg der Hertha gegen Mainz 05. Erst am 6. Spieltag überzeugte die Mannschaft bei einem 7:3-Kanter-sieg gegen Rot-Weiss Essen. Die meisten Fans pilgerten am 20. Spieltag in die riesige Schüssel des Olympiastadions, als Hertha gegen Fortuna Köln mit 4:2 sieg-te.20.874 waren dabei. Damals eine große Kulisse für Hertha.
Irgendwie machte sich langsam die Hoffnung breit, dass es diese Mannschaft tatsächlich schaffen könnte mit dem ersehnten Aufstieg. Immerhin war es die sechste Saison in Serie in der Zweiten Bundesliga. Hertha hielt sich im Wechsel mit Kaiserslautern an der Spitze der Tabelle auf. Und so kam es am 24. Spieltag, jenem 7. April, zum Duell der Hertha gegen Kaiserlautern, das von Otto Rehhagel trainiert wurde.
Als sich Herthas Kapitän Axel Kruse zum Warmmachen auf den Rasen begab, staunte er ungläubig. „Großartig“, sagte er, „das könnten um die 50.000 Fans sein.“ Später beim Anstoß verstand Kruse die Welt nicht mehr, wie er nach dem Duell erzählte.
Das Stadion war brechend voll, immer mehr Menschen drängten sich auf den Tribünen. Von Minute zu Minute wurde es lauter. Vor den Stadiontoren nahmen die Schlangen kein Ende. Zum ersten Mal nach 18 Jahren und dem dramatischen Halbfinale im UEFA-Cup gegen Roter Stern Belgrad (2:1) war ein Heimspiel von Hertha mit 75.000 Zuschauern ausverkauft. Die Fans besaßen enormen Anteil am frenetisch gefeierten 2:0-Sieg. Schon nach 25 Minuten brachte Axel Kruse die Hertha in Führung und wurde von seinen Teamkameraden fast erdrückt. Der kleine Marc Arnold war in großer Form und schickte Kruse in den freien Raum. Keeper Gerry Ehrmann sprintete Kruse entgegen, doch der legte den Ball an Ehrmann vorbei ins Lauterer Tor.

Die Fans waren begeistert, trieben ihre Mannschaft unentwegt nach Form. Das Stadion bebte. Nach einer halben Stunde musste Kruse aber den Platz verlassen – mit einem dicken und schmerzhaften Pferdekuss. Für ihn kam derjunge Ungar Pal Dardai. Kruse sagte später: „Nie war die Stimmung so großartig, so emotional wie an diesem Abend!“ Etwas Spektakuläres lag in der Luft, die Fans spürten förmlich die Erste Bundesliga, den großen Fußball, nach dem sie sich so lange sehnten.
Nach 55 Minuten bekam Hertha einen Eckball zugesprochen. Steffen Karl schlug ihn in den Strafraum und Sixten Veit leitete den Ball per Kopf weiter. Keeper Ehrmann, ein kräftiger Typ, hielt den Ball schon in den Händen und ließ ihn wieder fallen, auf die Hacke von Abwehrspieler Axel Roos. Von dort sprang der Ball ins Tor des FCK – 2:0. Das Olympiastadion tobte. Die La-Ola-Welle schwappte durch das weite Rund. „Nie mehr Zweite Liga“ sangen die Fans voller Inbrunst.
Es blieb beim 2:0. Niemand wollte nach Hause gehen. Alle jubelten, alle feierten und lagen sich in den Armen. „In dem Moment ist mir klar geworden, wir können den Aufstieg schaffen“, sagte Manager Dieter Hoeneß, der erst Monate zuvor zur Hertha gekommen war. Auf der Ehrentribüne rief Rolf Schmidt-Holtz, der Chef des Aufsichtsrates, euphorisch: „Das war der Durchbruch. Im Jahr 2000 wollen wir im Europacup spielen!“ Das sollte bekanntlich tatsächlich Realität werden, war aber am Abend des 7. April 1997 noch Utopie. Nach dem Triumph gegen Kaiserslautern übernahm Hertha wieder die Tabellenspitze. Dem Deutschen Sportfernsehen (DSF), der Sender übertrug das Spiel live, bescherte das aufregende Duell enorme Einschaltquoten.
Es dauerte aber noch bis zum 31. Spieltag, ehe Hertha den Aufstieg endlich perfekt machen konnte. Das passierte bei einem 2:1-Erfolg bei der SpVgg. Unterhaching. Kruse (15 Tore), Preetz (9) und Dinzey (5) waren die erfolgreichsten Torschützen der Saison. Der 7. April aber gilt bis heute als der Tag, an dem die neue Hertha geboren wurde und eine andere Zeitrechnung begann.

Hertha BSC – 1. FC Kaiserslautern 2:0 (1:0)
HERTHA: Fiedler – Oliver Schmidt, Karl, Sverrisson – Fährmann, Arnold (71. Andreas Schmidt), Veit, Covic (76. Rraklli), Hartmann – Kruse (31. Dardai), Preetz. Trainer: Röber.
KAISERSLAUTERN: Ehrmann – Koch (46. Ratinho), Kadlec, Roos – Schäfer, Greiner, Rufer (67. Wegmann), Brehme (63. Riedl), Wagner – Kuka, Rische. Trainer: Rehhagel. SR: Strampe (Handorf) – Z.: 75.000 (ausverkauft).
TORE: 1:0 (25.) Kruse, 2:0 (55.) Roos (Eigentor).
GELBE KARTEN: O. Schmidt, Covic, Hartmann – Brehme, Wagner.

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