Ein Mann mit Charisma und Showtalent

Marko Pantelic befindet sich zurzeit in häuslicher Quarantäne

Autor: Michael Jahn

Die jüngste Meldung, die den Serben Marko Pantelic betraf, war unerfreulicher Natur. Der 41-jährige ehemalige Klassestürmer, inzwischen Vizepräsident des Serbischen Fußball-Verbandes, wurde in einem Krankenhaus in Belgrad positiv auf das Corona-Virus getestet. Offenbar hatte sich Pantelic bei einem Uefa-Kongress in Amsterdam angesteckt. Er befindet sich noch einige Tage in häuslicher Quarantäne, aber es gehe ihm gut, war zu erfahren.

Es ist nun bereits elf Jahre her, als der extrovertierte Profi sein letztes Spiel für Hertha BSC bestritt, wo er zu einem gefeierten Publikumsliebling aufgestiegen war und wunderschöne Tore geschossen hatte. Am 23. Mai 2009 stand er in jener Mannschaft, die am letzten Spieltag der aufregenden Saison 2008/09 beim damals schon feststehenden Absteiger Karlsruher SC mit 0:4 unterging und die Champions League verpasste.
Lange träumte Hertha in jener Spielzeit sogar von der ersten Meisterschaft seit 1931, entfachte eine unglaubliche Euphorie in der Stadt, führte einige Male die Tabelle an und bot oft begeisternden Fußball. Einer der Protagonisten neben den starken Innenverteidigern Arne Friedrich und Josip Simunic war eben Pantelic, der gemeinsam mit seinem Sturmpartner Andrej Woronin, den Manager Dieter Hoeneß vom FC Liverpool ausgeliehen hatte, für die wichtigen Treffer sorgte.
Doch am Ende der Saison ging dem Team ein wenig die Luft aus und Trainer Lucien Favre war mit eigenwilligen Personalentscheidungen aufgefallen, lag nicht auf einer Wellenlänge etwa mit Kapitän Friedrich und auch nicht mit Pantelic. Dessen Hang zur Show und Selbstdarstellung war dem Schweizer immer ein Dorn im Auge. Platz 4 reichte am Ende nur für die Europa League und umjubelte Hauptdarsteller wie Simunic (zur TSG Hoffenheim), Pantelic (zu Ajax Amsterdam) und Woronin (zurück nach Liverpool) verließen Hertha BSC.

Extrovertiert und emotional: Marko Pantelic, hier im August 2007, verstand es blendend, sich und seine Tore wirkungsvoll zu inszenieren. In seiner Berliner Zeit von 2005 bis 2009 war der Stürmer einer der Erfolgsgaranten von Hertha BSC. Foto: imago images/Sven Simon/contrast/Camera 4
Jubel des Publikumslieblings vor der Ostkurve: Marko Pantelic, hier im Mai 2006, genoss die Ovationen der Fans und zahlte deren Zuneigung mit individueller Klasse auf dem Rasen zurück. Foto: imago images/Sven Simon/contrast/Camera 4

Vor seiner Zeit in Berlin war Pantelic vor allem als Wandervogel aufgefallen, hatte Stippvisiten als Profi in Griechenland, Frankreich, Spanien und der Schweiz abgegeben, war aber nirgendwo sesshaft geworden. Er galt als schwieriger Typ, als unberechenbar und unzuverlässig. Erst bei Roter Stern Belgrad stieg er zum wichtigen Erfolgsgaranten auf, schaffte von 2003 bis 2005 in 44 Spielen stattliche 26 Treffer. 2004/05 avancierte er mit 21 Toren zum Torschützenkönig der serbischen Super-Liga und Herthas Manager Hoeneß streckte sofort seine Fühler nach dem Mann mit dem langen Haar aus. Er lieh den Serben im August 2005 zuerst für 250.000 Euro aus, zog im April 2006 die Kaufoption und überwies noch einmal 1,25 Millionen Euro an Roter Stern.
Eine Investition, die sich lohnte. Pantelic zahlte in Toren zurück, hielt aber mit kleinen Disziplinlosigkeiten und Extravaganzen seinen Trainer Lucien Favre auf Trab. Gern meldete er sich nach kleineren Blessuren vom Training ab, was Favrestets verärgerte. Doch der musste auf Pantelic setzen, dessen Tore, die meist seiner individuellen Klasse entsprachen, waren lebensnotwendig für Hertha BSC.
Das haben die Fans honoriert und ihren Helden oft mit Sprechchören gefeiert – „Marko Pantelic – Oho!“ rief die Ostkurve immer wieder gern. Der Serbe genoss diese Ovationen, bot oft eine regelrechte Show, trat auch gern theatralisch auf und verschaffte Hertha oft überregionale Aufmerksamkeit. Seine Spezialität waren Schüsse mit dem Außenrist, bei denen er dem Ball einen unglaublichen Drall verpasste und die Torhüter narrte. „An diesen Schüssen habe ich hart gearbeitet“, sagte Pantelic einmal, „ich blieb oft eine Stunde nach Trainingsende noch auf dem Platz und habe geübt.“

Sein letzter Auftritt im Olympiastadion als Profi war durchaus ein wichtiger in der Geschichte von Hertha BSC. Er hätte sogar hin zu einem ganz großen Triumph, der soheiß ersehnten Meisterschaft, führen können. Doch am 16. Mai 2009 stürmte Hertha mit Pantelic im Zentrum vor 74.000 Zuschauern vergeblich und verzweifelt gegen das Abwehrbollwerk von Schalke 04 an. Es blieb beim 0:0. Marko Pantelic marschierte in die Ostkurve, verneigte sich vor den Fans, malte ein großes Herz in die Luft und wurde lange gefeiert.
Fakt ist: Pantelic war ein Mann mit Charisma, auch eine Diva, die mit den Zuschauern im Stil eines Verführers spielte. Allein wegen ihm gingen viele Fans ins Stadion.
Dass Pantelic, der 2013 bei Olympiakos Piräus seine schillernde Karriere beendete, nun seit zwei Jahren zum Vizepräsidenten des Serbischen Fußball-Verbandes aufgestiegen ist, haben ihm einige ehemalige Wegbegleiter nicht unbedingt zugetraut. Doch er hat alle eines Besseren belehrt, ist ein anerkannter Funktionär geworden und hält vor allem die Kontakte zu Uefa und Fifa. Zweimal in der Woche spielt Pantelic Hallenfußball in Belgrad, er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Sein letzter Auftritt im Berliner Olympiastadion datiert vom 25. März 2017. Mit neuem Kurzhaarschnitt war er aus Belgrad zum Abschiedsspiel für den Brasilianer Marcelinho eingeflogen. Das Publikum feierte auch ihn euphorisch. Und ein paar Tore hat er bei der Gelegenheit natürlich wieder geschossen. So wie immer.

Hier geht es zur PDF der Ausgabe.

Funktionär mit Kurzhaarschnitt: Marko Pantelic im Juli 2019 als Tribünengast in Belgrad. Foto: imago images/Sven Simon/contrast/Camera 4

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner P