Ein Europapokal-Treffer für die Ewigkeit
Sreto Ristic hatte 2001/02 seine beste Saison beim 1. FC Union
Autor: Matze Koch
Es ist gar nicht so lange her, dass Sreto Ristic die Wege des 1. FC Union kreuzte. Am 5. September 2019 betreute der inzwischen 44 Jahre alte Ex-Stürmer der Eisernen als Interimstrainer den Drittligisten Chemnitzer FC in einem Testspiel gegen Union. In Hoyerswerda gab es für ihn eine 1:3-Niederlage.
Es ereigneten sich seinerzeit turbulente Tage für den eigentlichen Trainerassistenten des CFC. Tags zuvor waren Chefcoach David Bergner sowie Sport- und Finanzvorstand Thomas Sobotzik zurückgetreten. Im Dickicht der internen Querelen des immer wieder mit Neonazis in Verbindung gebrachen Vereins wollte das Duo nicht mehr mitwirken. Ristic blieb kurzzeitig Aushilfscoach. Er arbeitet immer noch für die Chemnitzer, aber nur noch als Scout. „Ich lebe jetzt wieder in Stuttgart, weil ich nicht zentral in Chemnitz tätig sein muss“, sagt Ristic. Bei den Sachsen sei auch wieder Ruhe eingekehrt.
Parallel dazu lässt er sich zum Fußball-Lehrer ausbilden. Der in Kroatien geborene Serbe mit deutschem Pass belegt einen Kurs in Serbien, der im Oktober 2019 begann und wegen der Corona-Pandemie voraussichtlich bis März 2021 läuft. Nachdem Ristic seit dem Ende seiner aktiven Laufbahn im Sommer 2011 auch schon bei den Stuttgarter Kickers und Preußen Münster als Assistenzcoach fungierte, kann er sich irgendwann eine Cheftrainerrolle durchaus vorstellen.


Der in Zagreb geborene und seit 1991 in Deutschland lebende Ristic stürmte im Profibereich für den SSV Reutlingen, VfB Stuttgart, SC Campomaiorense (Portugal), SSV Ulm 1846, Union, Guangzhou FC (China), VfB Stuttgart II, den Grasshopper ClubZürich, Eintracht Braunschweig und den SV Sandhausen. Ristic will seine Auslandserfahrungen nicht missen.
Als junger Kerl spielte er für den VfB Stuttgart in der Bundesliga (47 Einsätze, fünf Tore). Hinzu kommen 95 Zweitligapartien mit 26 Treffern für Ulm und Union. Im Rückblick verbrachte er zwischen 2001 und 2004 seine schönste Zeit in Berlin. „Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Fans ist außergewöhnlich.
Ich habe einige Vereine erlebt“, sagt Ristic, „aber was mir bei Union wiederfahren ist, habe ich kein zweites Mal gesehen. Die Stadt hatte zudem eine große Vielfalt. Ich habe in Karlshorst gewohnt.“ 16 Jahre nach seinem Weggang aus Köpenick kennt Ristic nur noch wenige Unioner persönlich. Zu ihnen gehören Physiotherapeut Frank Placzek, Masseur Thomas Riedel sowie Betreuer und Busfahrer Sven Weinel. Gern erinnert sich Ristic auch an den ehemaligen Mannschaftsleiter Detlef Schneeweiß.

Die Zeit im Südosten Berlins will er nicht missen. Als Quasi-Nachfolger von Publikumsliebling Daniel Teixeira stieß Ristic im Sommer 2001 zu einer Union-Elf, die gerade in die 2. Bundesliga aufgestiegen und durch die ehrenvolle 0:2-Niederlage imDFB-Pokalfinale gegen Schalke 04 in den UEFA-Cup eingezogen war.Am 20. September 2001 köpfte Sreto Ristic zum 1:1-Endstand beim finnischen Vertreter Haka Valkeakoski ein. Unions erster Europacup-Treffer vor 1720 Zuschauern im Stadion „Tehtaan kenttä“ ist eines der bedeutendsten Tore der Vereinshistorie.
Ristic hat es vor allem deshalb in Erinnerung, weil die Partie wegen der Terror-Anschläge vom 11. September 2001 um eine Woche verschoben werden musste. „Wir hatten schon Helsinki erreicht und sind am selben Tag wieder zurückgeflogen. Keiner wusste, was das genau bedeutet. Zu der Zeit habe ich mir keine Gedanken gemacht, ob der Verein erstmals im Europacup spielt. Es war für uns einfach ein Erlebnis“, erinnert sich Ristic. „Sieben Tage später sind wir wieder hingeflogen. Als Zweitligist haben wir uns ganz gut verkauft. Das Spiel wurde aber von den Ereignissen außerhalb des Fußballs überstrahlt.“
Die Saison 2001/02 war die beste von Ristic im Union-Trikot. Die Mannschaft erreichte die zweite UEFA-Cup-Runde und als Aufsteiger in der 2. Liga Rang sechs. Ristic stieg mit 14 Treffern vereinsintern zum besten Torjäger auf. In den letzten beiden Partien kam er nicht mehr zum Einsatz, weil ihm bei der 15. Bude eine Prämie gewinkt hätte. Die wollte sich der damalige Union-Präsident Heiner Bertram aber wohl sparen. „Ich habe 14 Tore gemacht und wollte auflaufen. Dann hat Bertram gesagt, dass ich nicht weiter spielen soll – aus welchen Gründen auch immer.


Das hat was mit Vertrauen zu tun, wenn man Verträge unterschreibt“, erklärt Ristic. „Der Spieler möchte spielen und der Präsident sagt ‚Nein‘. Wenn sich ein Funktionär einmischt, ist das nicht schön.“
In der Folgezeit gab es bei Union aus Sicht von Ristic zu viele Nebenschauplätze, zu denen auch die Trennung von Erfolgstrainer Georgi Wassilew im Oktober 2002 gehörte. 2003 konnte Union mit Nachfolger Mirko Votava die Klasse noch halten, 2004 folgte der Abstieg aus der 2. Bundesliga. Auch Ristic fehlte 2002/03 (27 Spiele, fünf Tore) und 2003/04 (25, drei) die Form. „Die Entlassung von Wassilew bedeutete einen Knacks für die Mannschaft. Danach hat auch bei mir nicht mehr viel funktioniert. Es war wie ein Bruch, als ob wir etwas verloren haben“, meint Ristic.
2004 lief sein Vertrag aus. Ein neues Angebot erhielt er nicht mehr von Union. Aber im Herzen ist er ein Eiserner geblieben. Er hofft, dass die aktuelle Union-Generation in der Bundesliga bleibt.
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