„So dick war die Chance damals doch gar nicht“

Michael Preetz, Herthas einziger Bundesliga-Torschützenkönig

Autor: Michael Jahn

Beinahe hätte es die Erfolgsgeschichte des Michael Preetz bei Hertha BSC, die nun schon unglaubliche 24 Jahre anhält, nicht gegeben. Dass es doch klappte und Preetz sieben Jahre als Profi für die Berliner spielte und nun schon seit elf Jahrendie Verantwortung als Manager und Geschäftsführer Sport bei den Blau-Weißen trägt, hat auch mit einem Fehlschuss des „Langen“ zu tun.

Das passierte in der Spielzeit 1995/96 und in der Zweiten Liga. Hertha BSC wollte endlich der Tristesse der Zweitklassigkeit entfliehen und orientierte sich nach oben. In der Winterpause – das Team stand auf Rang 10 – holte man den Bundesligaerfahrenen Trainer Jürgen Röber, der Karsten Heine ablöste.

Doch der große Effekt des Trainerwechsels blieb zunächst aus, hohe Siege und bittere Niederlagen wechselten sich regelmäßig ab und am Ende der Saison geriet Hertha sogar in akute Abstiegsgefahr – auch weil dem Verein drei Punkte wegen Lizenzverstößen abgezogen worden waren.

Am letzten Spieltag, am 8. Juni 1996, musste Hertha zu Wattenscheid 09, einem ehemaligen Erstligisten, der aber unmittelbar vor dem Abstieg stand. Für die Gastgeber stürmte ein gewisser Michael Preetz– zusammen mit Billy Reina. In 59 Spielenfür Wattenscheid hatte Preetz bis dahin 17 Tore erzielt. 1000 Zuschauer im Lohrheidestadion sahen ein umkämpftes Duell, das Hertha unter keinen Umständen verlieren durfte. Kurz vor Schluss – beim Stand von 0:0 – bekam Preetz eine gute Torchance, die er aber zum Glück für Hertha vergab. Es blieb beim Remis und Berlin in der 2. Bundesliga.

84 Bundesliga-Treffer für Hertha: Hier jubelt Michael Preetz im November 1997 in Bremen.
Großer Tag im ausverkauften Olympiastadion: Michael Preetz (am Ball) erzielt am 29. Mai 1999 beim 6:1 gegen den Hamburger SV (l. Martin Groth) drei Tore. Foto: imago images/Jaspersen/Höhne

Wochen später – die Wattenscheider waren sang- und klanglos abgestiegen und Michael Preetz ohne Vertrag – lag der schlaksige Stürmer im Urlaub im türkischen Badeort Kemer am Strand. Dort dachte er über seine Zukunft nach und wartete auf dasKlingeln seines Handys wegen möglicher Angebote. Es war dann Jürgen Röber, der Preetz von dessen Ungewissheit erlöste und ein Angebot, nach Berlin zu kommen, hinterlegte. Schon im Juli 1996 war es so weit: Preetz, damals 28 Jahre alt, kam für 200.000 Mark Ablöse zu Hertha BSC. Seinen Fehlschuss als Wattenscheider Angreifer Wochen zuvor gegen Hertha kommentierte er später lakonisch so: „So dick war die Chance damals doch gar nicht…“

Rund sechs Millionen Mark hatte Marketingpartner Ufa im Sommer 1996 für sechs neue Profis investiert. Am Ende der Saison stand tatsächlich der Aufstieg in die Bundesliga und Michael Preetz, der eine gewisse Anlaufzeit bei Hertha benötigte, besaß mit neun Treffern einen gehörigen Anteil am Erfolg. Nur Sturmpartner Axel Kruse war mit 15 Toren erfolgreicher. Beide ehemaligen Profis sind noch heute eng befreundet.

Danach wurde Preetz immer stärker und stieg zu einem Führungsspieler auf. Seine Meinung war gefragt, seine vielen Tore wurden bejubelt. Der Mittelstürmer war einer, der meist richtig stand und von dem man salopp sagte: „Der weiß, wo das Tor steht.“ Seine Bilanz war beeindruckend – 1997/98: 14 Tore; 1998/99: 23 Tore; 1999/2000: zwölf Tore; 2000/2001: 16 Tore; 2001/02: zwölf Tore und 2002/03: sieben Tore.

Allein viermal in Serie war Preetz damit der beste Schütze der Hertha, erst ab 2001 überholte ihn der Brasilianer Marcelinho. Der Höhepunkt für den nimmermüden Angreifer, der nicht unbedingt durch brillante Technik, aber durch Kampfgeist, Laufstärke, taktisches Gespür und seinen Torriecher überzeugte, passierte in der Saison 1998/99, die Hertha überraschend auf Rang drei abschloss und in die Champions League einziehen ließ.
Am letzten Spieltag, dem 29. Mai 1999, empfing Hertha im mit 76.000 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion den Hamburger SV. Die große Frage war: Wer wird Torschützenkönig der Bundesliga? Michael Preetz, der bis dahin auf 20 Treffer gekommen war, oder Ulf Kirsten von Bayer Leverkusen, der bei 18 Toren stand und gegen Bayern München antreten musste?

Es war ein wunderschöner Tag in Berlin bei hochsommerlichen Temperaturen und Hertha BSC trumpfte groß auf. Der HSV wurde mit 6:1 aus der Arena gefegt und Michael Preetz hatte tolle drei Tore geschossen. Die Feierlichkeiten nach dem Spiel standen einer Meisterfete nicht nach. Preetz war der erste und bislang einzige Torschützenkönig der Bundesliga im Trikot von Hertha BSC. 23 Tore brachten ihm die berühmte Torjägerkanone ein.

Heimpremiere am 21.9.1999 in der Champions League: Beim 2:1 gegen Chelsea ist Michael Preetz von Celestine Babayaro nur durch Trikotziehen zu stoppen. Foto: imago images/Camera 4/Sven Simon
Bayern-Keeper Oliver Kahn flucht über seine Vorderleute, Michael Preetz hat gut lachen: Soeben hat der „Lange“ am 21. November 1998 für Hertha in Unterzahl den 1:0-Siegtreffer geschossen.

Es folgten aufregende Duelle in der Champions League gegen den FC Barcelona, den AC Mailand oder Chelsea London und Preetz, von 2000 bis 2003 auch Kapitän der Hertha, wurde von Bundestrainer Erich Ribbeck sogar in die Nationalmannschaft berufen. Später Lohn für seine großen Leistungen in Berlin. Siebenmal kam er 1999 und 2000 im Nationaltrikot zum Einsatz, schaffte drei Treffer und stürmte damals meist zusammen mit Olaf Marschall, auch mit Oliver Neuville und einmal mit Ulf Kirsten.

Als Michael Preetz zusammen mit dem Isländer Eyjölfur Sverrisson, mit dem er Herthas große Zeit maßgeblich mit bestimmt hatte, am 27. Juli 2003 mit einem offiziellen Abschiedsspiel seine Karriere beendete, feierten das Duo 35.000 Fans im Olympiastadion. Preetz‘ beeindruckende Bilanz: In 196 Erstligaspielen hatte er 84 Tore geschossen Damit führt er noch immer die interne Torjägerliste an – vor Erich Beer, dem Idol der 70er Jahre, mit 83 Treffern.

Wenig später begann die zweite Laufbahn von Michael Preetz bei Hertha – als Funktionär. Assistent der Geschäftsführung unter Manager Dieter Hoeneß und Leiter der Lizenzspieler-Abteilung waren seine Titel, ehe er 2009 zum Manager und Geschäftsführer Sport aufstieg. Doch das ist wieder ein ganz anderes Kapitel.

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