Blau-weißes Blut und ein ungarisches Herz

Pal Dardai ist der „ewige“ Herthaner – Im Sommer kehrt er zurück

Autor: Michael Jahn

Feurig und leidenschaftlich: Hier bejubelt Pal Dardai am 12. April 2003 im Olympiastadion seinen Volleyschuss zum 1:0-Siegtreffer gegen den VfL Bochum. Foto: imago images/König

Er wird bald wieder präsent sein auf den Fußballplätzen des Olympiageländes: Pal Dardai, 44, kann man ab 1. Juli erneut als Trainer bei Hertha BSC erleben. Der Ungar wird die U16-Mannschaft des Bundesligisten übernehmen und zusätzlich in der Hertha BSC-Fußball-Akademie als „Koordinator für den Aufbaubereich“ fungieren, wie der Klub Mitte voriger Woche mitteilte. Konkret heißt das, dass das blau-weiße Urgestein die Talente von der U14 bis zur U16 als eine Art „Karrierecoach“ betreuen wird – bishin zur Schnittstelle zum Erwachsenen-Bereich. „Ich habe immer betont, dass mir die Arbeit mit dem Nachwuchs großen Spaß macht“, sagte Dardai, „junge Talente zu fördern und zu fordern ist eine wichtige Sache im Fußball“.

Dardai besaß nach seinem Aus als Cheftrainer der Profis im Mai 2019 einen unbefristeten Anschlussvertrag im Nachwuchsbereich der Berliner, wo er einst seine Laufbahn als Fußball-Lehrer begann – zuerst als Assistent von Andreas Thom bei der U17 und später als Chef der U15. Dennoch: Nachdem Dardai nach viereinhalb Jahren als Chefcoach die Verantwortung abgeben musste und durch U23-Coach Ante Covic ersetzt worden war, glaubten die wenigsten Beobachter, dass der ehemalige Mittelfeldmann tatsächlich nach einem Jahr Pause in den Nachwuchsbereich der Hertha zurückkehren würde. „Er wird irgendwo bei den Profis landen“, prophezeite etwa der ehemalige Hertha-Trainer Jürgen Röber, „Pals Ehrgeiz ist sehr groß“.

Und tatsächlich bekam Dardai zahlreiche Offerten anderer Klubs aus dem In- und Ausland (Dardai: „Beinahe alle paar Wochen“), aber er lehnte stets ab. Auch ein Angebot des 1. FC Köln im November 2019 nahm er nach einigen Verhandlungsrunden nicht an. Die Liebe zu Hertha, wo seine drei Söhne Palko (21), Marton (18) und Bence (14) aktiv sind, war größer als die Verlockungen, in einem anderen Klub als Trainer zu arbeiten. Das ist irgendwie typisch für den einstigen rustikalen Mittelfeldmann, der schon als Spieler sehr vereinstreu war und als der „ewige“ Herthaner gilt.

Alles begann an einem Januartag 1997. Jürgen Röber hatte seine Mannschaft, die noch in der Zweiten Liga spielte, auf dem windigen Maifeld zum Training versammelt. Dann tauchte der blutjunge Dardai auf, den Röbers Assistent Bernd Storck bei einem U21-Länderspiel der Ungarn entdeckt hatte. Hertha kaufte Dardai für 500.000 Mark Ablöse aus seinem Vertrag bei BVSC Budapest heraus und Röber kündigte ihn als „eines der größten Talente des ungarischen Fußballs“ an.

In zehn Spielen in der Rückrunde 1996/97 leistete er seinen Beitrag zum lang ersehnten Aufstieg Herthas in die Bundesliga. Danach gab er folgende Antworten in einem Steckbrief im Saisonheft „Wir Herthaner“: Mein Traumjob als kleiner Junge war…Tierarzt; Der beste Bundesligaspieler heißt … Mario Basler; Mein Lieblingsessen/-Getränk ist … Gulasch/Rotwein; Das Wichtigste im Leben ist … Gesundheit und Liebe.

Ein Bild aus glücklichen Cheftrainer-Tagen: Dardai im Februar 2015 mit Michael Preetz. Foto: imago images/Camera 4
Mit Hertha BSC in der Champions League: Pal Dardai am 20. Oktober 1999 beim 1:0-Sieg in Berlin gegen den AC Mailand (rechts Massimo Ambrosini). Foto: imago images/Camera 4

Trainer Röber sagte später einmal: „Ich wollte Pal unbedingt haben. Zu Beginn seiner Zeit in Berlin war er zurückhaltend, später gab er auch den älteren Profis ordentlich etwas auf die Socken im Training.“

Dardai entwickelte sich schnell zu einem wichtigen Profi, immer zuverlässig, immer kampf- und einsatzstark, meist rustikal und mit hundert Prozent bei der Sache. Er besaß auch strategische Fähigkeiten und einen harten Schuss. Als Spieler, dessen Wort immer gewichtiger wurde, erlebte er unendlich viel mit Hertha BSC – den Aufstieg in Liga eins, das Erreichen der Champions League, sportliche Krisen unter den Trainern Huub Stevens und Falko Götz, die Beinahe-Meisterschaft unter dem Schweizer Coach Lucien Favre, später Abstieg unter Friedhelm Funkel und Wiederaufstieg unter Markus Babbel. Unter acht Trainern spielte Dardai eine wichtige Rolle, war er ein geachteter Führungsspieler.

Sein letztes Spiel entwickelte sich einst zu einem echten Höhepunkt. Am 15. Mai 2011 pilgerten sagenhafte 77.116 Zuschauer ins Olympiastadion, Zusatztribünen am Marathontor hatten diese Kulisse möglich gemacht. Am letzten Spieltag der Zweiten Liga standen Hertha und Gegner FC Augsburg bereits als Aufsteiger fest. Hertha siegte 2:1 und Dardai ging auf eine umjubelte Ehrenrunde – mit seinem jüngsten Sohn Bence auf den Schultern.

Bence, inzwischen 14 Jahre alt und ein torgefährlicher Mittelstürmer bei Herthas U15, könnte schon ab Juli unter seinem Vater in der U16 trainieren. „Er ist meist seinem Alters-Jahrgang voraus“, sagt Benjamin Weber, der Leiter der Hertha-Fußball-Akademie.

Zurück zu Vater Pal. Der ist mit 286 Erstligaeinsätzen der Rekordspieler von Hertha und spielte in 42 Europacup-Duellen. Auch das ist eine Bestmarke im Klub. Später, mit seinen 151 Spielen als Cheftrainer der Profis, kam er immerhin in der Einsatztabelle aller Hertha-Trainer in Liga eins auf Platz 3 hinter Helmut Kronsbein (212) und Jürgen Röber (157).

Einen großen Beweis seiner Treue zu Hertha lieferte Dardai schon 1999. Damals warb Bayern-Manager Uli Hoeneß heftig um den Ungarn. Es kam zu einer kuriosen Situation im Hause Dardai: Frau Monika, die das Familienleben bestens managt, telefonierte in der Küche mit Uli Hoeneß, Pal nebenan im Wohnzimmer mit Bruder und Hertha-Manager Dieter Hoeneß. Pal blieb bekanntlich in Berlin. Nicht umsonst sagte Dardai einmal: „Ich habe blau-weißes Blut in den Adern und ein ungarisches Herz.“

Rustikal und zupackend: Pal Dardai am 30. November 2003 im Zweikampf mit dem Schalker Niels Oude Kamphuis (links). Rechts: Denis Lapaczinski (Hertha BSC). Foto: imago images/Camera 4

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